Eines Tages – es war ein Donnerstag – kam ein alter Mann mit ganz langen weißen Haaren und einem ganz langen weißen Bart ins Gute-Laune-Land. Er lief barfuß und trug ein langes Gewand, das wohl einmal weiß gewesen war. In der Hand hielt er einen langen Holzstab, auf den er sich hin und wieder aufstützte.
Er schritt forsch voran, an seiner Seite ein kleiner Junge, der ihm etwa bis zur Hüfte reichte. Zielgerichtet liefen sie auf den Marktplatz in der großen Stadt in dem großen Land zu.
Es war Markttag – klar war ja Donnerstag.
Der Platz war voller Menschen, die nicht schlecht staunten, als der alte Mann mit den langen weißen Haaren barfuß auf den Marktplatz trat.
Gleich war er umringt von vielen neugierigen Menschen. Viele mussten zu ihm aufschauen, weil er sie an Körpergröße überragte. Gleich begannen sie, ihm Fragen zu stellen: Wer er sei, wo er herkomme, was er hier wolle und so weiter und so fort. Und der alte Mann beantwortete ganz ruhig und freundlich lächelnd alle Fragen.
Es wurden immer mehr Fragen und er beantwortete sie alle. Und die Menschen staunten, was der alte Mann mit den langen weißen Haaren alles wusste.
Unterdessen hast Du – ja, Du bist natürlich auch dabei, donnerstags auf dem großen Platz in der großen Stadt in dem großen Land. Unterdessen hast Du den Jungen an der Seite des alten weißhaarigen Mannes betrachtet. Er hat dichtes dunkles Haar, große braune Augen und trägt eine leicht zerrissene Hose, die mit einer Kordel anstatt eines Gürtels zusammengehalten wird. Sein Hemd hat das verwaschene Muster wie ein Sonnenblumenfeld. Auch er ist barfuß und hat eine schöne braune Hautfarbe. So als sei er viel in der Sonne unterwegs gewesen.
Er guckt alle freundlich an und lauscht seinem Meister. Da bemerkt er Dich und nickt Dir freundlich lächelnd zu. „Hallo“, sagt er, als der alte Mann gerade zu den Neugierigen etwas lauter spricht: „Dass wir hier ins Gute-Laune-Land gekommen sind, verdanke ich meinem kleinen Freund hier.“ Und zeigt auf den Jungen, der etwas verlegen guckt.
Während der alte Mann weiter spricht, fragst Du: „Ist das Dein Großvater?“
„Nein. Er ist mein Freund und Lehrmeister. Ich begleite ihn und er zeigt mir die Welt und bringt mir Vieles bei.“
„Woher kennst Du ihn denn?“, willst Du wissen.
„ Das war wie ein kleines Wunder. Auf jeden Fall wundersam.
Meine Eltern waren mit mir auf der Flucht vor einem schrecklichen Krieg und sind dabei ums Leben gekommen. Ich war ganz allein, als ich am übernächsten Tag auf einer großen Wiese einen großen Baum mit seinen ausladenden breiten Ästen sah. Das sah so aus, als wolle er mich mit seinen ausgebreiteten Armen einladen, unter seinem dichten Blätterdach auszuruhen. Da hatte ich ein gutes Gefühl und habe mich hingelegt. Ich bin wohl schnell eingeschlafen und habe im Schlaf geweint. Das hat der Meister gehört, der sich auf der anderen Seite des dicken Baumstammes zum Ausruhen hingelegt hatte. Er kam um den dicken Baumstamm herum, setzte sich neben mich und wartete, bis ich aufwachte.
„Was machst Du denn hier so alleine, mein kleiner Freund?“, sprach er mich an. Er hat so sanftmütige Augen und ein liebes Gesicht. Da habe ich ihm die Geschichte von der Flucht erzählt.
„ Ich glaube, es ist kein Zufall, dass wir uns hier unter diesem großen Baum begegnet sind. Ich bin auch alleine und kann gut einen Begleiter gebrauchen. Willst Du mir helfen?“, fragte er.
„Wie kann ich Dir denn helfen? Ich bin doch nur ein kleiner Junge, der selber Hilfe braucht.“
Da sprach er: „Niemand ist so klein, so allein, dass er nicht jemand anderem helfen könnte. Ich wandere durch die Welt, um alles zu verstehen. Die Welt begreifen, weißt Du? Und es ist beschwerlich, allein zu wandern. Ohne einen Gefährten, mit dem man unterwegs reden kann. Mit dem man Erlebnisse teilen kann.“
„Ich weiß. Ich vermisse meine Eltern sehr.“
„Dann komm mit mir und ich werde Dir von den wunderbaren Dingen erzählen, die es auf der Welt gibt.“
Und von diesem Moment an sind wir zusammen durch die Welt gezogen und waren nie mehr getrennt, also nie mehr allein. Wie ein Wunder.“
„Warum seid Ihr hierhergekommen?“, willst Du wissen.
„Der Meister hat überall auf der Welt vom Gute-Laune-Land gehört. Das wollte er dann unbedingt selber kennen lernen. So ist er. Will alles immer genau wissen und begreifen. Und so haben wir uns auf den langen Weg hierher gemacht.“
„ Habt Ihr lange gebraucht ?“
„ Ja, wir wurden immer wieder aufgehalten, weil der Meister unterwegs andauernd wieder was verstehen wollte. Er ist so wissbegierig und stellt immer allen Leuten Fragen, bis er alles begreift.“
„Weiß er alles?“
„ Oh, nicht alles. Aber er weiß mehr als sonst ein Mensch auf der Welt. Und er tauscht sich mit anderen Gelehrten aus, die auch ganz viel wissen. Viele wissen nur was in ihrem Fachgebiet. Zum Beispiel über den Sternenhimmel oder die Lebewesen in den Ozeanen und am Südpol. Oder über Vulkane, Raumschiffe oder das Wetter.
Wikinger nennt er seine Wissensfreunde. Keine Ahnung wieso Wikinger.
Jedenfalls sammelt der Meister all dieses Wissen und speichert es ab. Kannst Du alles bei ihm anfordern. Er gibt gerne sein Wissen weiter.
Du musst ihm nur eine Frage per Gedankenaustausch schicken. Dann sendet er Dir gleich die Antwort.
Wirklich Wundersames Wissen.“
„Egal, was ich wissen will?“, staunst Du.
„ Ja, zum Beispiel: Was ist die Hauptstadt von Frankreich?“
„Paris, das ist ja einfach. Das weiß ich auch so. Brauch ich kein Wirklich Wundersames Wissen für.“
„ Aber weißt Du auch, was 10 hoch 100 ist?“
„ Eine riesig große Zahl?“, fragst Du vorsichtig.
„ Genau. Frag ihn mal. Schick ihm die Frage mit einem Gedankenaustausch.“
Und Du denkst ganz fest an die Frage, was 10 hoch 100 ist und guckst dabei den Meister ganz fest an.
„Gugel, schickt er mir in den Kopf“, sagst Du nach 2 Sekunden.
„ Ja, so ähnlich. Gogol heißt die Zahl. Klappt gut, ne? Zabu weiß wirklich fast alles.“
„Zabu?“
„ So heißt der Meister.“
„ Und Du?“
„Jim. So hat Zabu mich genannt. Er sagte, er habe mal von einem kleinen Jungen namens Jim gelesen, der auch so neugierig auf die Welt und gar nicht ängstlich war. Und weil der so wie ich auch Lokomotivführer werden wollte, fand er Jim ganz passend für mich.“
„Finde ich auch“, sagst Du. „Wollen wir Freunde sein?“
„Gerne“, sagt Jim.
Und Du:
„Kommt doch mit zu uns nach Hause heute. Meine Familie wird sich sicher freuen, zwei so interessante Gäste zu bewirten. Und Du kannst mir von Euren Reisen, Erlebnissen und Abenteuern erzählen.“
„ Und Du mir vom Gute-Laune-Land“, sagt Jim lächelnd. Man sieht ihm an, wie er sich freut.
„ Dann werde ich Dir beibringen, wie man viel schneller ins Gute-Laune-Land kommen kann. Ohne so lange zu brauchen wie Ihr beide.“
„ Das geht? fragt Jim.
„ Klar, ganz einfach:
Augen zu machen und ins Land der Phantasie und Guten Laune eintauchen.
Dann ist man schon drin und bleibt drin, wenn die Augen wieder aufgehen.
Bis bald.“
Horst Piepenburg
19. August 2018